
25.11.2025 ● AZV
Vier-Tage-Woche im Realitätscheck: Was steckt hinter dem Trend
Kaum ein Arbeitsmodell hat im vergangenen Jahr so viel Aufmerksamkeit bekommen wie die Vier-Tage-Woche. Die Idee dahinter: weniger Arbeitstage, mehr Flexibilität und eine spürbare Verbesserung der Work-Life-Balance. Viele Unternehmen zeigten sich neugierig, andere hingegen zweifelten, ob dieses Konzept in ihrem Betrieb überhaupt funktionieren kann.
Ein Jahr später – nach zahlreichen Pilotprojekten, Studien und realen Erfahrungen – lässt sich ein klareres Bild zeichnen. Doch welche Rahmenbedingungen müssen eigentlich erfüllt sein, damit eine Vier-Tage-Woche im Alltag Bestand hat? Und welche Beispiele zeigen, wo das Modell glänzt – und wo es an seine Grenzen stößt?
Welche Voraussetzungen wichtig sind
Eine verkürzte Arbeitswoche klingt nach einem attraktiven Benefit – dennoch kann sie nur gelingen, wenn betriebliche Abläufe weiterhin reibungslos funktionieren. Bevor sich ein Unternehmen für die Vier-Tage-Woche entscheidet, müssen Führungskräfte analysieren, wie sich das neue Modell in den bestehenden Arbeitsalltag integrieren lässt.
Zentrale Fragen dabei sind unter anderem:
- Welche Aufgaben müssen kontinuierlich abgedeckt werden?
- Wie groß ist das Team, und wie verteilen sich die Kompetenzen?
- Gibt es Tätigkeiten, die ausschließlich von speziell geschulten Mitarbeitenden erledigt werden können?
- An welchen Tagen ist Anwesenheit zwingend notwendig?
- Welche Bedürfnisse und Wünsche haben die Beschäftigten?
Aus diesen Überlegungen können flexible Arbeitszeitmodelle entstehen, die sowohl die betrieblichen Anforderungen als auch die Interessen des Teams berücksichtigen.
Wenn die Vier-Tage-Woche funktioniert: Erfolgsbeispiele
Wie erfolgreich das Konzept sein kann, zeigt unter anderem das Unternehmen Finnholz. Die Firma nahm 2023 an einer Studie der Universität Münster teil und führte im Rahmen dessen die Vier-Tage-Woche ein. Der Freitag wurde zum offiziellen „Frei-Tag“, die Wochenarbeitszeit sank von 60 auf 40 Stunden – bei vollem Gehalt.
Das Ergebnis überzeugte:
Finnholz behielt das Modell auch nach der Testphase bei und konnte seitdem mehrere neue Mitarbeitende gewinnen. Die verkürzte Woche wirkt sich positiv auf die Stimmung und das Stresslevel aus, auch wenn die Arbeitstage von Montag bis Donnerstag durch die längeren Arbeitszeiten intensiver ausfallen. Der zusätzliche freie Tag bietet jedoch einen deutlichen Ausgleich.
Auch ein Architekturbüro startete 2024 in die Vier-Tage-Woche und entschied sich ebenfalls, den Freitag freizugeben. Insgesamt bewertet das Unternehmen die Umstellung als Erfolg. Allerdings zeigt die Praxis auch, dass Flexibilität wichtig bleibt: Bei hoher Arbeitsbelastung wird gelegentlich doch am Freitag gearbeitet – dafür können Mitarbeitende sich individuell einen anderen freien Tag nehmen.
Wo das Modell an Grenzen stößt
Dass die Vier-Tage-Woche nicht für alle funktioniert, zeigte ein Beispiel von einem Reisebüros. Das kleine Team mit nur sieben Mitarbeitenden wollte trotz verkürzter Woche weiterhin vollständige Erreichbarkeit gewährleisten. Die Lösung: halbe Woche A-Schicht, halbe Woche B-Schicht.
Doch in der Reisebranche entstehen viele Kundenanfragen am Wochenende. Am Montag warteten daher regelmäßig große Mengen an E-Mails – und wenn nur die Hälfte des Teams im Büro ist, steigt der Druck schnell an. Für das Reisebüro war die Umstellung langfristig nicht praktikabel, weshalb der Betrieb wieder zum klassischen Fünf-Tage-Modell zurückkehrte.
Schlussfolgerung: Die Vier-Tage-Woche passt nicht für jedes Unternehmen
Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen klar: Ob die Vier-Tage-Woche ein Gewinn oder ein Hindernis ist, hängt stark von der jeweiligen Branche, Teamgröße, Aufgabenverteilung und dem Kundenkontakt ab. Für einige Unternehmen eröffnet der freie Tag zusätzliche Motivation, neue Bewerberströme und weniger Stress. Andere stoßen aufgrund ihrer Strukturen oder Anforderungen an klare Grenzen.
Trotzdem lohnt es sich, neue Arbeitszeitmodelle auszuprobieren. Denn nur wer testet, kann herausfinden, welches Modell wirklich zum eigenen Unternehmen passt – und zur Zufriedenheit des gesamten Teams beiträgt.


